Neuropsychologie – Zur Somatik eines Präfixes

Durch das Präfix »Neuro-« verlagert sich der Forschungsgegenstand der Neuropsychologie von der Psyche auf das Gehirn. Dies hat Auswirkungen auf das Verständnis und die Untersuchungsmethoden menschlicher Psyche: Das Unbewusste wird zum Nicht-Bewussten, statt der Selbstreflexion des Subjekts rückt therapeutisch die Regulation des Hirnstoffwechsels in den Fokus. Der Widerspruch dieser Betrachtungsweisen wird theoretisch z.B. im Doppelaspekt-Monismus abgebildet, aber nicht gelöst. Im Resultat ergibt sich so eine Naturalisierung des menschlichen Geistes, die sich in ihrer spezifischen Passung auf gesellschaftliche Entfremdungsprozesse als Ideologie erweist.

Vortrag und Diskussion mit Dr. phil. Christine Zunke 

Wann? 29. April 2022, 20 Uhr

Wo? IPU Berlin, Stromstr. 2, Hörsaal 1

Zur Frage der Neuro-Psychoanalyse: Widerständiger Geist oder hirnloser Widerstand?

Die wissenschaftliche Verortung und Legitimation der Psychoanalyse sind seit jeher Gegenstand hitziger Debatten. Nicht selten wird ihr dabei der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit gemacht, entweder um sie als Ganzes zu diffamieren oder um sie endlich (wieder) auf den festen Boden der exakten Wissenschaften – und jüngst: der Hirnforschung – stellen zu können.

Schon Sigmund Freud antwortete widersprüchlich auf die Frage nach dem Verhältnis von Psychoanalyse und Neurowissenschaften. Mal träumte er von einer kommenden Einheitswissenschaft, die Gewissheit bringen sollte, wo er sich noch ins spekulative Dunkel begeben musste. Andere Male warnte er gerade davor, den eigentlichen Gegenstand der Psychologie – das Seelische – mit dem der Neurophysiologie zu verwechseln. Beobachtung blieb für ihn jedoch Beobachtung, gleich ob es sich um die Zelle einer Schnecke oder den Traum eines Patienten handelte, und so resümierte er 1940 an seinem nahenden Lebensende: „Die Psychologie ist auch eine Naturwissenschaft. Was sollte sie denn sonst sein?“

Die Neuropsychoanalyse macht damit ernst und verspricht mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden dort integrative Arbeit zu leisten, wo sich die psychoanalytischen Schulen immer weiter pluralisieren und scheinbar widerspruchsfrei nebeneinander bestehen. Diese werden von der Neuropsychoanalyse auf die zentrale Frage gestoßen, wie sie dann noch eine Verbindlichkeit ihrer Konzepte und damit der Grundlage ihres therapeutischen Arbeitens gewährleisten können. Handelt es sich bei der Neuropsychoanalyse um die von Freud manchmal herbeigesehnte Einheitswissenschaft?

Die positivistische Verheißung exakter Erkenntnisse darf aber nicht nur angesichts der prophetischen Inszenierung von manchen Hirnforschern und der wiederkehrenden Replikationskrisen angezweifelt werden. Noch grundsätzlicher wäre zu fragen, ob das Eigenständige der Psychoanalyse nicht gerade in ihrer Widerständigkeit zu suchen wäre. In dem, was sich der vereindeutigenden Subsumtion unter bestehende Wissenssysteme entzieht und durch keine Laborsituation festgezurrt werden kann.

Können Es, Ich und Über-Ich durch bildgebende Verfahren sichtbar werden, korrespondiert Metapsychologie mit ‚Dingen‘ im Gehirn? Kann die Kernthese der Psychoanalyse – dass es ein Unbewusstes gibt, das nie ganz erkannt und verfügbar werden kann – von der Neuropsychoanalyse widerlegt werden? Oder bleibt die psychoanalytische Erfahrung von den neurokognitiven Befunden gänzlich unberührt? Gilt es das Freud’sche „Junktim zwischen Heilen und Forschen“ zu stärken oder muss es einer Arbeitsteilung von Labor und Couch weichen? Und beweist die Psychoanalyse somit ihren widerständigen Geist, wenn sie sich gegen ihre neurowissenschaftliche Vereinnahmung zur Wehr setzt, oder leistet sie hirnlosen Widerstand gegen die Kränkung, die Deutungshoheit von Forschern jenseits der Praxis abgelaufen zu bekommen?

Prof. Dr. Christine Kirchhoff und Prof. Dr. Mark Solms diskutieren zur Frage der Neuropsychoanalyse und ihren Implikationen für die Erkenntnistheorie, Metapsychologie und Klinik der Psychoanalyse. Die Diskussion wird von der krIPU BERLIN veranstaltet und moderiert von Benedikt Salfeld. Die ganze Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

Wann? Freitag, 11. Februar 2022, 20 bis 22 Uhr

Wo? In Präsenz: Hörsaal 1 (3. OG), Stromstr. 2, 10555 Berlin

Aufgrund der Corona-Verordnung ist eine Anmeldung nötig: https://www.ipu-berlin.de/zur-frage-der-neuro-psychoanalyse-widerstaendiger-geist-oder-hirnloser-widerstand/

Donnerstag 09.01.2020 um 19:00 Uhr – Kritische Theorie des Antiziganismus. Zur Urgeschichte der Zigeunerfeindschaft und zur Psychoanalyse des geschichtlich Unheimlichen. Vortrag und Diskussion mit Nico Bobka

»Die Juden sind die heimlichen Zigeuner der Geschichte«, schrieb Theodor W. Adorno in einem Brief an Max Horkheimer. Die Gedanken, die Adorno um diese These herum entfaltet, erschienen ihm »so waghalsig«, dass er sich nicht traute, sie jemand anderem als Horkheimer zu zeigen. Dennoch konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, mit diesen fragmentarischen Überlegungen ein wichtiges Motiv erkannt zu haben, das eine »zugleich einheitliche und nicht rationalistische Erklärung des Antisemitismus« erlaubt.

Was Adorno erkannt zu haben meinte, betrifft unweigerlich auch die kritische Theorie des Antiziganismus: archaische Züge, die ihre Ursache in einem sehr frühen Stadium der Geschichte der Menschheit haben. Das Aufgeben des Nomadentums, die mit dem Sesshaft-Werden zusammenfallende Arbeit und aller damit verbundene Triebverzicht, sei eines der schwersten Opfer gewesen, das die Geschichte der Menschheit auferlegt habe. Das Bild der Juden als Zigeuner der Geschichte, damit das Bild der Zigeuner überhaupt, repräsentiert das eines Zustands der Menschheit, der die Arbeit nicht gekannt hat; Zigeuner gelten als diejenigen, die den schmerzlichen Prozess der Zivilisation verschmäht oder nur unzureichend vollzogen haben, die sich nicht dem Primat der Arbeit haben unterwerfen lassen. Je mehr die zur zweiten Natur gewordene Welt der Sesshaftigkeit, als eine der Arbeit, die Unterdrückung reproduziert, desto mehr scheinen sich die Zivilisierten den Gedanken an einen nomadischen Zustand des Glücks, so unglücklich dieser selbst auch sein mag, nicht mehr erlauben zu dürfen und die sich im Bild der Zigeuner andeutende Erinnerung verbieten zu müssen.

Im Vortrag soll zumindest angedeutet werden, dass der Antiziganismus nicht in der wie verzerrt auch immer wahrgenommenen Lebensrealität der Sinti oder Roma wurzelt. Im Anschluss an Franz Maciejewskis psychoanalytische Überlegungen soll der Antiziganismus auf den Begriff gebracht werden: als ein Antiziganismus ohne Sinti oder Roma – nicht jedoch ohne Zigeuner. Der Begriff des Zigeuners kann kritischer Theorie daher nicht etwa Anlass sprachpolitischer Interventionen sein, sondern gilt ihr vielmehr als Einstieg zu einer zu reflektierenden Urgeschichte des Antiziganismus; einer Urgeschichte der Gattung, die noch in jeder individuellen Entwicklung wiederholt wird. So wird sich herausstellen, dass der Zigeuner kein Konstrukt ist, sondern vielmehr Produkt des Zivilisationsprozesses, das sich im Unbewussten der Subjekte niedergeschlagen hat. Der Zigeuner wäre somit der Deckname für in die Außenwelt projizierte, dem Bewusstsein verborgene, tabuisierte und verleugnete Selbstanteile der Antiziganer; und der Antiziganismus wäre der niemals endende Versuch, am Objekt der Projektion die eigenen zivilisatorischen Zurichtungen nachzuahmen und zu vollenden.

Wo?
International Psychoanalytic University
Stromstraße 2, 10555 Berlin.
Die Veranstaltung findet im Hörsaal 1, (Haus 2), 3. Etage statt.
Eintritt frei.

Donnerstag 04.07.2019 um 19:00 Uhr – Der antiimperialistische Kitt. Gender-Theorie, Rassismus, Jihadismus. Vortrag und Diskussion mit Vojin Saša Vukadinović

Judith Butlers 2005 auf Deutsch erschienene Essaysammlung Gefährdetes Leben soufflierte dem Queer-Aktivismus einen Kurs, den dieser prompt bereitwillig eingeschlagen hat. Die Forderung, der westliche Feminismus solle „im Horizont eines antiimperialistischen Egalitarismus“ neu ausgerichtet werden, ist mit den Selbstmordattentate verharmlosenden Schriften Jasbir Puars formvollendet worden. Diese stehen exemplarisch für jene „antiemanzipatorische Wende“ (Benedikt Wolf), die ein Denken, das vor zweieinhalb Jahrzehnten mit der Geschichte der Heterosexualität befasst und mitunter aus dem AIDS-Aktivismus hervorgegangen war, in etwas gänzlich Anderes transformiert hat: Nämlich in ein Revolutionsethos, das sich gerade wegen seines unterkomplexen Weltbildes, der hieraus resultierenden dürftigen politischen Analyse sowie den damit verbundenen plumpen Forderungen solch immenser Beliebtheit erfreut.

Diesen Umschlag halten die Beteiligten deshalb für eine kritische Weiterentwicklung, weil ihnen schon die rhetorische Beschäftigung mit Rassismus als kühne Rebellion gilt. Tatsächlich wird dieser nicht real zurückgedrängt, sondern seine Trivialisierung befördert. Ganz im Geiste ebenjenes „antiimperialistischen Egalitarismus“ und dem gendertheoretischen Primat der Repräsentation vor dem Materiellen wird nun neu sortiert und gehandelt: Nicht der rasante Zulauf, den patriarchale Ideologien nicht-westlicher Herkunft verzeichnen, wird so in den entsprechenden Publikationen zu erklären versucht, sondern sich nach anderthalb Jahrzehnten noch immer manisch an einigen wenigen Autorinnen abgearbeitet, die nicht zufällig einen Migrationshintergrund haben. Nicht der globale Auszug zehntausender zumeist junger Menschen – davon rund 900 allein aus Deutschland – in ein Terror-Kalifat, wo diese gemordet, gebrandschatzt, vergewaltigt und versklavt haben, liefert Anlass zu Demonstrationsbeiträgen am Brandenburger Tor, sondern ein unliebsamer US-Präsidenten. Nicht der massenhafte Übergriff auf hunderte Frauen in einer einzigen Nacht ist ein bedenklicher Bruch, den es wissenschaftlich aufzuarbeiten gilt, sondern die angeblich rassistische Darstellung der Täter in den Medien, die zu den eigentlichen Opfern einer höheren Diskursmacht erklärt werden.

All dies zeigt, dass der Antiimperialismus jener Kitt ist, der den Resonanzraum aus Gender-Theorie, Rassismus und Jihadismus heute zusammenhält. Der Vortrag wird zu klären versuchen, was die historischen Bedingungen für diese Politisierung waren – und Alternativen aufzeigen.

Vojin Saša Vukadinović ist Historiker. Er promovierte an der FU Berlin mit einer Dissertation zu politischer Gewalt in Westdeutschland und arbeitet derzeit an einer kapitalismushistorischen Studie. Er ist Herausgeber des Sammelbands Freiheit ist keine Metapher. Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik (Berlin 2018).

Wo?
International Psychoanalytic University
Stromstraße 2, 10555 Berlin.
Die Veranstaltung findet im Hörsaal 1, (Haus 2), 3. Etage statt.
Eintritt frei.

Donnerstag 06.06.2019 um 19:00 Uhr – Zum Verhältnis von Frauen und Islam. Vortrag und Diskussion mit Nantje Petersen

In der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Frauen im und zum Islam bleibt die Diskrepanz zwischen Naivität, Religiosität und Fundamentalismus nicht die einzige; vielmehr scheint sich das Verhältnis entlang multipler Widersprüche wie jenen zwischen Freiwilligkeit und Zwang, Allmacht und Ohnmacht sowie der Trias von Freiheit, Unterwerfung und Unterdrückung zu konstituieren. Die Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung überrascht dabei ebenso wenig wie diejenige zwischen universalistischen und identitätspolitischen Positionen.

Der Vortrag wird auf Grundlage empirischer Daten und theoretischer Überlegungen den Fragen nachgehen, warum der Islam für Frauen attraktiv und Frauen für den Islam relevant sind. Hierzu werden die für Mädchen und Frauen bedeutsamen Motive in der Radikalisierung und Auseinandersetzung mit dem Islam nachgezeichnet, um sich den Positionen und Strategien der Djihadistinnen und ihren hiesigen Apologetinnen annähern und abschließend der Frage nachgehen zu können, warum eine Kritik an dieser Ideologie von kulturrelativistischer und (queer-)feministischer Seite verunmöglicht wird.

Wo?
International Psychoanalytic University
Stromstraße 2, 10555 Berlin.
Die Veranstaltung findet im Hörsaal 1, (Haus 2), 3. Etage statt.
Eintritt frei.

Aktualisierung: Vortrag von Sonja Witte am 11.12.2018 um 19:00 Uhr

Liebe Freundinnen und Freunde der Kripu,

der Vortrag von Dr. Sonja Witte beginnt bereits um 19:00 Uhr. Einen Einblick gibt der folgende Ankündigungstext:

Resonanzerfahrungen, so schreibt Hartmut Rosa in „Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“ (2016), sind erfüllt von Sehnsucht und „bergen das Versprechen auf eine andere Form der Weltbeziehung – in gewisser Weise lässt sich vielleicht sogar sagen: ein Heilsversprechen“. So soll die Theorie der Resonanz einen „Ausweg“ weisen aus einer die Spätmoderne beherrschenden „Eskalationstendenz“: „Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung“.

Der Vortrag begibt sich auf die Spur dieses Heilsversprechens – mit Augenmerk allerdings gerade auf Paradoxien und Brüche der Theoriekonzeption, d.h. auf Textstellen, wo das Heilsversprechen der Resonanz sich gleichsam verspricht und nicht ungebrochen formuliert wird. Aus psychoanalytischer Perspektive werden dieserart Versprechen als Symptome eines Unbehagens in der Kultur betrachtet. So gesehen kann Rosas Theoriekonzeption nicht zuletzt auf die Frage verweisen, welche Rolle Schuld(gefühl) derzeit in Wünschen nach gesellschaftlicher Veränderung und einem zukünftig besseren Leben spielt.

Dr. Sonja Witte hat Kulturwissenschaft, Philosophie und Soziologie studiert und mit einer Arbeit zum Unbewussten in der Kulturindustrie an der Universität Bremen promoviert. Ihre Dissertation erschien dieses Jahr im transcript Verlag unter dem Titel „Symptome der Kulturindustrie“. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im MA Studiengang Psychoanalytische Kulturwissenschaften an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin. Sie arbeitet schwerpunktmäßig in den Bereichen Kritische Theorie, (psychoanalytische) Film- und Kulturtheorie, Sexualitäts- und Geschlechterforschung sowie Alltags- und Konsumkultur. Politisch aktiv ist sie bei den „les madeleines“ (https://lesmadeleines.wordpress.com/) und der Zeitschrift „Extrablatt – Aus Gründen gegen fast Alles“ (http://www.extrablatt-online.net/).

Wo?
International Psychoanalytic University
Stromstraße 2, 10555 Berlin.
Die Veranstaltung findet im Hörsaal 1, (Haus 2), 3. Etage statt.
Eintritt frei.

Dienstag 11.12.2018 um 19:00 Uhr – Zwischen Resonanz und Entfremdung: Heil Versprochen. Vortrag und Diskussion mit Sonja Witte

Liebe Freundinnen und Freunde der krIPU,

unsere Veranstaltungsreihe geht mit einem Vortrag von Dr. Sonja Witte weiter: ‚Zwischen Resonanz und Entfremdung: Heil Versprochen. Anmerkungen zu Hartmut Rosas Soziologie der Weltbeziehungen‘.

Resonanzerfahrungen, so schreibt Hartmut Rosa in „Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“ (2016), sind erfüllt von Sehnsucht und „bergen das Versprechen auf eine andere Form der Weltbeziehung – in gewisser Weise lässt sich vielleicht sogar sagen: ein Heilsversprechen“. So soll die Theorie der Resonanz einen „Ausweg“ weisen aus einer die Spätmoderne beherrschenden „Eskalationstendenz“: „Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung“.
Der Vortrag begibt sich auf die Spur dieses Heilsversprechens – mit Augenmerk allerdings gerade auf Paradoxien und Brüche der Theoriekonzeption, d.h. auf Textstellen, wo das Heilsversprechen der Resonanz sich gleichsam verspricht und nicht ungebrochen formuliert wird. Aus psychoanalytischer Perspektive werden dieserart Versprechen als Symptome eines Unbehagens in der Kultur betrachtet. So gesehen kann Rosas Theoriekonzeption nicht zuletzt auf die Frage verweisen, welche Rolle Schuld(gefühl) derzeit in Wünschen nach gesellschaftlicher Veränderung und einem zukünftig besseren Leben spielt.

Dr. Sonja Witte hat Kulturwissenschaft, Philosophie und Soziologie studiert und mit einer Arbeit zum Unbewussten in der Kulturindustrie an der Universität Bremen promoviert. Ihre Dissertation erschien dieses Jahr im transcript Verlag unter dem Titel „Symptome der Kulturindustrie“. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im MA Studiengang Psychoanalytische Kulturwissenschaften an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin. Sie arbeitet schwerpunktmäßig in den Bereichen Kritische Theorie, (psychoanalytische) Film- und Kulturtheorie, Sexualitäts- und Geschlechterforschung sowie Alltags- und Konsumkultur. Politisch aktiv ist sie bei den „les madeleines“ (https://lesmadeleines.wordpress.com/) und der Zeitschrift „Extrablatt – Aus Gründen gegen fast Alles“ (http://www.extrablatt-online.net/).

Wo?
International Psychoanalytic University
Stromstraße 2, 10555 Berlin.
Die Veranstaltung findet im Hörsaal 1, (Haus 2), 3. Etage statt.
Eintritt frei.

Veranstaltungshinweis: 04.12.2018 –Symptome der Kulturindustrie. Bibliotheksgespräch mit Dr. Sonja Witte und Prof. Lilli Gast

Liebe Freundinnen und Freunde der krIPU,

wir möchten auf das Bibliotheksgespräch mit Dr. Sonja Witte und Prof. Dr. Lilli Gast zum Thema ‚Symptome in der Kulturindustrie‘ am 04.12. hinweisen.

Sonja Wittes kürzlich erschienenes Buch „Symptome der Kulturindustrie“ geht der Frage nach dem Unbewussten in der Kulturindustrie auf besondere Weise nach: Gerahmt von den Kategorien des Spiels und des Unheimlichen werden filmtheoretische Denkfiguren und verschiedenste ästhetische Inszenierungen auf Symptome hin befragt, deren Deutungen Aufschluss geben über den konstitutiv konflikthaften Charakter der Kulturindustrie.

Ausgehend vom Unbewussten wissenschaftlichen Denkens werden so Spiel und Unheimliches kulturtheoretisch ausgeleuchtet und Verbindungen zwischen psychoanalytischer und Adornos Kritischer Theorie sowie aktuellen kulturwissenschaftlichen Positionen erschlossen.

In der Deutung von Theorien und ästhetischem Material wird Kulturindustrie als Konstellation von Widersprüchen entfaltet.

Dr. Sonja Witte studierte Kulturwissenschaft, Philosophie und Soziologie. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im MA Studiengang Psychoanalytische Kulturwissenschaften an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin.

Wo?
International Psychoanalytic University
Stromstraße 2, 10555 Berlin.
Die Veranstaltung findet in der Bibliothek (Haus 2), 2. Etage statt.
Eintritt frei.

Dienstag, 20. November 2018 um 20:00 Uhr – Entfremdung, Charaktermaske und Charakter. Vortrag und Diskussion mit Ingo Elbe

Liebe Freundinnen und Freunde der krIPU,

dieses Semester beginnt mit einer neuen Veranstaltungsreihe „Runter vom Sofa!“. Unser erster Referent Ingo Elbe spricht zu „Entfremdung, Charaktermaske und Charakter. Marxsche Grundlagen der Sozialpsychologie Erich Fromms“.

Karl Marx analysiert die bürgerliche Gesellschaft als ein System, in dem alle Menschen den strukturellen Zwängen des Kapitals unterworfen sind. Nicht Entfaltung und Bedürfnisbefriedigung der Individuen, sondern Profitproduktion durch Ausbeutung von Lohnarbeit ist Marx zufolge das objektive, von den Strukturen einer Gesellschaft des Privateigentums und Marktes aufgezwungene Ziel der „Wirtschaft“. In diesem Kontext unterscheidet er zwei Formen von Entfremdung, denen die Menschen im Kapitalismus ausgeliefert sind: eine allgemeine, die alle Menschen betrifft und auf die Unbeherrschbarkeit der Mechanismen materieller Reproduktion und den allgemeinen Zwang zur wechselseitigen Instrumentalisierung und Selbstinstrumentalisierung der Individuen für einen unmenschlichen Zweck abzielt; und eine besondere Form der Entfremdung, die vor allem die Lohnabhängigen betrifft. Diese Entfremdungskonzeption von Marx war die zentrale, allerdings eher kursorisch rezipierte, gesellschaftstheoretische Grundlage nicht nur der frühen Versuche Erich Fromms, eine analytische Sozialpsychologie auf der Höhe der Zeit zu formulieren. Fromm versucht einerseits, die bei Marx zu findenden Aussagen über ein kapitalistisch strukturiertes Welt- und Selbstverhältnis des Menschen psychologisch zu präzisieren und damit die Verschmelzung von Charaktermaske und Charakter im Spätkapitalismus zu erfassen. Andererseits erweitert Fromm die Marxschen Perspektiven um eine Theorie des autoritär-masochistischen Charakters, die nicht bloß die Internalisierung bürgerlicher Verkehrsformen, sondern die regressiven Tendenzen des Rückfalls hinter dieselben in Gestalt einer emotionalen Bejahung irrationaler Herrschaft erfassen soll.
Der Vortrag soll einige Grundzüge der Marxschen Kapitalismuskritik mit Schwerpunkt auf diesen Formen der Entfremdung vorstellen und die These vertreten, dass Fromms Sozialpsychologie ohne den Bezug auf Marx in der Luft hängt.

Dr. Ingo Elbe Privatdozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg. 2010 erschien in 2. Auflage sein Buch Marx im Westen. Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik.
2015 erschien Paradigmen anonymer Herrschaft. Politische Philosophie von Hobbes bis Arendt.
Letzte Publikationen: Die postmoderne Querfront. Anmerkungen zu Chantal Mouffes Theorie des Politischen. In: sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik 2/2018;
Helmut Reichelt and the New Reading of Marx. In: B. Best et al (eds.): Handbook of Frankfurt School Critical Theory. London 2018.
Zahlreiche Veröffentlichungen zu Marx, Marxrezeption, Kritischer Theorie und politischer Philosophie. Online-Texte unter rote-ruhr-uni.com sowie uni-oldenburg.de

Wo?
International Psychoanalytic University
Stromstraße 2, 10555 Berlin.
Die Veranstaltung findet im Hörsaal 1, (Haus 2), 3. Etage statt.
Eintritt frei.

Veranstaltungshinweis – 12.-13. Januar 2018 Symposium zu (Homo)Sexualität und Psychoanalyse

Liebe Freundinnen und Freunde der krIPU,

wir möchten auf das „Symposium zu (Homo)Sexualität und Psychoanalyse“ an der IPU hinweisen, dass am 12.01. und 13.01.18 stattfindet.

Programm
Kostenfreie Anmeldung unter info@ipu-berlin.de

„Zur Homosexualität gehört nicht selten jene Unangepaßtheit im sexuellen Bereich, vor der die schaudernd zurückschrecken, die gerade noch bereit waren, sich tolerant zu verhalten.“
(Martin Dannecker, 1971)*

Als Sigmund Freud die Sexualtheorie als Herzstück der Psychoanalyse auszuarbeiten begann, ließ er sich nicht von der Vorstellung einer natürlichen Sexualität leiten. Die heterosexuelle Objektwahl galt ihm als nicht weniger erklärungsbedürftig als die homosexuelle. Doch was trotz begleitender Widersprüche mit Impulsen von Neugierde und kritischem Denken anhob, verkehrte sich in den Folgejahren der psychoanalytischen Theoriebildung zum Festhalten an der Norm einer vermeintlich reifen genitalen Heterosexualität. Die daraus entspringende feindselige und pathologisierende Haltung gegenüber Homosexuellen hat ihre Ausläufer bis in die jüngere Vergangenheit.

Heute ist eine offene Ablehnung der Homosexualität in der psychoanalytischen Community jedoch die Ausnahme und zaghaft setzte sogar eine Aufarbeitung des homosexuellenfeindlichen Erbes ein. Da allerdings die Sexualtheorie allgemein ihren Status zugunsten anderer Paradigmen eingebüßt hat, in den theoretischen Debatten folglich leisere Töne angeschlagen werden, bleibt zu diskutieren, was die Psychoanalyse heute zur (Homo)Sexualität zu sagen hat. Unser Symposium möchte hierzu eine Auseinandersetzung anregen.

Nicht ohne Grund laden wir zu dieser Diskussion im Zusammenhang mit der Ausstellung „Faszination Sex“ über den Theoretiker und Schwulenaktivisten Martin Dannecker im Schwulen Museum Berlin. Als einer der bedeutendsten deutschen Sexualwissenschaftler ist sein theoretisches Arbeiten seit den 1970er Jahren von Grund auf geprägt von der freudschen Psychoanalyse. Auf deren Verständnis der Triebtheorie und des Subjekts beharrend, kritisiert Dannecker seit jeher die Ressentiments gegen Homosexuelle in der psychoanalytischen Theorie und Praxis.

Ausgehend von Danneckers umfangreichen Studien geben wir mit dem Symposium Anlass, um an zwei Tagen über das spannungsgeladene Verhältnis der Psychoanalyse zur (Homo)Sexualität zu diskutieren und neue psychoanalytische Theorieentwürfe in diesem Feld zu erforschen. Nicht zuletzt möchten wir das zentrale Anliegen Danneckers aufgreifen, eine kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Erscheinungen des (Homo)Sexuellen fortzuführen.

Wir freuen uns auf spannende und anregende Diskussionen.

Konzeptuelle Verantwortung: Victoria Preis, Aaron Lahl, Patsy l’Amour laLove

*Martin Dannecker: Wer lächelt schon, wenn er aus dem Schlaf gerissen wird? In: Fernsehspiele Westdeutscher Rundfunk: Januar – Juni 1972. Veröffentlicht 1971.